Sonntag, 15. November 2015

Wenn Du mich liebst, dann …

Oh ja, wie oft habe ich das schon gehört und früher auch oft selber gedacht. Wenn Du mich liebst, dann würdest du XY tun oder eben nicht tun.

Gerade vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem Bekannten der wohl unter starkem Liebeskummer litt. Ich weiß gar nicht genau, warum er mit mir sprechen wollte, da wir uns schon ewig nicht mehr gesehen hatten. Vielleicht weil mein Mann und ich mehr als 16 Jahre verheiratet sind und das ein gewisses Maß an Erfahrung und Vertrauen suggeriert? Ich weiß es nicht, aber leider scheint er sich die Falsche ausgesucht zu haben, da ich ihm leider nicht den von ihm wohl erwarteten Zuspruch geben konnte. Jedenfalls war er zum Schluss so wütend auf mich, dass er auflegte.

Ich bin über 16 Jahre verheiratet und wenn ich eins gelernt habe, wofür ich auch sehr dankbar bin, dann ist das, dass ich für meine Probleme selbst verantwortlich bin und diese auf meinem Partner oder sonst wen abwälzen kann.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich nicht eifersüchtig bin, nein, im Gegenteil, das bin ich sehr wohl ab und zu, aber ich weiß dann auch immer, dass die Eifersucht ein Ausdruck meines aktuellen Selbstwertgefühls ist. Bin ich innerlich stabil, bin ich weitaus weniger eifersüchtig, als wenn ich gerade mal wieder in einer Phase von Minderwertigkeitskomplexen stecke. Dann kann ich aber auch auf alles und jeden Eifersüchtig sein, also zum Beispiel auf eine Frau die schönere Haare hat, auf eine Freundin die weiter laufen kann als ich, oder auf die Leute vom Schwimmverein, die alle schneller schwimmen können als ich. Also absolut irrational!

In dem Gespräch ging es darum, dass sich mein Bekannter Sorgen machte, dass seine Freundin, die ohne ihn unterwegs war, mit jemand anderes ins Bett gehen würde. Ich sagte ihm dann nur, Na und? Und wenn schon, dann kannst du das eh nicht verhindern. Seine Antwort war, wenn sie mich liebt, dann würde sie das nicht tun. Da habe ich ihn ausgelacht und ihm geantwortet, dass Liebe per Definition nichts damit zu tun habe, ob man auf einer Party mit jemand anderes ins Bett geht oder nicht und dass die Liebe zu einer Person schon mal gar nicht die Liebe zu jemand anderes grundsätzlich ausschließt. Liebe ist schließlich das so ziemlich Einzige, was mehr wird, wenn man es teilt. Und nur weil ich jemanden liebe, heißt das doch nicht, dass ich mein Leben komplett aus meiner Hand geben muss. Da wurde er wütend auf mich, da er wohl von mir erwartet hätte, dass ich ich ihn bestätige und sage, ja natürlich, wenn sie dich liebt, dann tut sie so was nicht.

Leider oder nein, zum Glück! zeigt mir mein Leben und meine langjährige Beziehung etwas anderes und zwar, dass Liebe auf Vertrauen basiert, Vertrauen und dann kommt ganz lange nichts. Vertrauen heißt, dass Absprachen, die getroffen werden, nicht hintergangen werden. Vertrauen heißt, dass man sich alles erzählen kann, aber nicht muss. Vertrauen heißt, dass da jemand ist, der mich auffängt, wenn ich Hilfe brauche, jemand auf den ich mich verlassen kann und jemand, dem ich das größte Glück der Welt wünsche und wenn zu diesem Glück nun mal gehört, Beziehungen auch zu anderen Menschen zu haben, dann gehört zu meiner Liebe auch dazu, dies dem Menschen, den ich liebe nicht zu verwehren.

Das Leben ist so kurz und ich sehe so viele Beziehungen die auf Egoismus beruhen, darauf zu nehmen, anstatt zu geben. Doch mir ist klar geworden, dass jedes Zeichen von meinem Partner ein Geschenk ist, ein Geschenk, dass ich nicht einfordern kann und auch nicht will. Denn ein Geschenk was ich einfordere ist per se kein Geschenk mehr und die Freude ist nur noch halb so groß.

Das Telefongespräch endete dann darin, dass ich ihm sagte, dass wenn er nicht genug Vertrauen gegenüber seiner Freundin habe und sie kontrollieren wollen würde, er wahrscheinlich, dass was ich mit meinem Partner erlebe, niemals erleben können wird, da sich niemand auf Dauer gerne kontrollieren lässt, da das ein Gefängnis bedeutet in dem sich meines Wissens keiner auf Dauer freiwillig begeben wird.

Die Tatsache, dass ich als Asperger Autistin viel Freiraum und Ruhe brauche, sehr viel Allein sein muss, fordert von meinem Partner sehr viel Toleranz, ohne diese Toleranz und ohne dieses Freiheit die er mir tagtäglich immer wieder schenkt, wären wir nicht mehr zusammen. Ich würde das schlichtweg nicht aushalten, es würde mich erdrücken, mir die Luft zum atmen nehmen.
Seit meiner Diagnose scheint es auch für meine Partner einfacher zu sein, meine Launen und mein extremes Ruhebedürfnis einordnen zu können und nichts davon persönlich zu nehmen.

Ich bin so dankbar einen Partner gefunden zu haben, der mich so nimmt wie ich bin, der mir immer wieder Liebe schenkt, manchmal gerade dann, wenn ich unausstehlich bin und nichts in der Welt würde mich davon abhalten können, ihm alles Glück der Welt zu wünschen egal worin es gerade bestehen mag.